Wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Gesundheit seiner Angestellten? Richtig, der Praxisinhaber! Analog zum Datenschutz ist dies eine Verantwortung, die nicht delegierbar ist. Doch die Gefahren lauern meistens oft unbemerkt direkt neben den Angestellten.
Leider findet Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Arztpraxen nur geringe Wertschätzung, da die Behandlung der Patienten im Fokus steht und der eigene Schutz oftmals hintenangestellt wird. Hierdurch klaffen riesige Defizite. Selbst Basismaßnahmen wie die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und die einfache Dokumentation, die seit 1996 verpflichtend sind, erfolgen nur sporadisch oder fehlen komplett.
Die Gründe für die oft unvollständige Umsetzung geltender Vorschriften sind vielfältig. Unter anderem sind die Pflichten des Arbeitgebers im Arbeitsschutz vielen Ärzten nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung bekannt. Vielen Praxisinhabern fehlt auch einfach die Zeit, neben dem Praxisbetrieb auch noch die Gefährdungsbeurteilung regelkonform zu dokumentieren. Dabei hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren dem Wunsch der Unternehmer nach mehr Entscheidungsfreiheit in Angelegenheiten des Arbeitsschutzes Rechnung getragen. So hat sich das „Arbeitsschutzrecht“ seit Mitte der 90er Jahre stark gewandelt. Hinzu kommt, dass nach dem Inkrafttreten der Betriebssicherheitsverordnung mehr als 65 Unfallverhütungsvorschriften entfallen sind.
Mit der Liberalisierung im Gesundheits- und Arbeitsschutz sind jedoch auch neue Anforderungen an Unternehmer und Führungskräfte verbunden. Der Zuwachs an Entscheidungsfreiheit geht einher mit der Übernahme von mehr Verantwortung, wodurch sich das Haftungsrisiko erhöht.
Das Unternehmermodell
So birgt beispielsweise das in vielen Kammerbezirken bereits umgesetzte „Unternehmermodell“, bei dem der Praxisinhaber nach kurzer Schulung eigenverantwortlich die Funktion der beratenden Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte übernimmt, die Gefahr, dass bestehende Defizite nicht erkannt und demnach auch nicht behoben werden. Aus haftungsrechtlicher Sicht sind die Bereiche „Verantwortung im Arbeitsschutz“, „besondere Gefährdungen im Gesundheitsdienst“ sowie die vorschriftenkonforme „Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung“ für Praxisinhaber besonders relevant. Bedenken Sie dabei, dass Sie als Praxisinhaber der Berufsgenossenschaft Ihre Wahl (Unternehmermodell oder Grundbetreuung) binnen sechs Monaten nach Eintritt der Verpflichtung, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zu bestellen, mitteilen müssen. Unterlassen Sie diese Mitteilung wird von der Wahl des Unternehmermodell ausgegangen. Damit sind Sie verpflichtet an den entsprechenden Informations-, Motivations- und Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Diese Pflichten sind höchstpersönliche Verpflichtungen! Es reicht also nicht einfach eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter auszusenden. Falls Sie diese Zeit einsparen wollen bietet sich die Betreuung nach dem Modell der Grundbetreuung für Sie an. Hier können wir Sie gerne durch unsere Experten unterstützen, so dass Sie sich auf Ihr Kernthema fokussieren können.
Verantwortung im Arbeitsschutz
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber in § 3 „…die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen könnten. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben“.
Die Verantwortung für den Arbeitsschutz trägt in jeder Arztpraxis zunächst der Praxisinhaber. Grundsätzlich sind alle Unternehmerpflichten, auch die Verantwortung im Arbeitsschutz, an alle Mitarbeiter in der Praxis übertragbar. Jeder Arzt, der Verantwortung an andere delegiert, behält jedoch immer die eigene Verantwortung. Das sind die richtige Personalauswahl, die Organisation und die Kontrolle des Arbeitsschutzes. Für den Arbeitgeber selbst kann die übergeordnete Aufsichtspflicht niemals „nach unten“ delegiert werden. Eine Wegdelegation von Verantwortung gibt es nicht, die Aufsichtsverantwortung bleibt immer beim Delegierenden. Das ist besonders wichtig, wenn es um Schuldfragen nach Arbeitsunfällen geht.
Verantwortung im Arbeitsschutz kann unangenehme Folgen für den Verantwortlichen haben. Vor allem dann, wenn durch schuldhaftes Verhalten eine rechtswidrige Handlung begangen wurde und dadurch die Frage der Haftung aufgeworfen wird. Rechtswidrige Handlungen können sowohl das aktive Handeln einer Person als auch das „Nicht-Handeln“, das Unterlassen einer gebotenen Handlung, sein. Immer dann, wenn eine Rechtsverpflichtung zur Unfallverhütung, also zum Tätigwerden besteht, die über eine allgemeine oder moralische Verpflichtung zum Handeln hinausgeht, ist auch das Unterlassen einer Handlung strafbar. Man spricht von einer Garantenstellung. Eine derartige Garantenstellung kann sich aus Rechtsvorschriften, einer übernommenen Aufgabe oder durch eigenes gefährdendes Tun, also die Schaffung einer Gefahr, herleiten.
Regelungen treffen
In Arztpraxen mit ihren unterschiedlichen Organisationsformen als Einzelpraxis, Praxisgemeinschaft und weiterer denkbarer „Berufsausübungsgemeinschaften“ ist daher auf klare Regelungen zu Weisungsbefugnissen zu achten. Ganz besonders ist auf eine klare Linienverantwortung zu achten, um im Fall von Arbeitsunfällen schnell die Frage der Verantwortung klären zu können. Personen, die Verantwortung im Arbeits- und Gesundheitsschutz tragen, sollten unbedingt um ihre Verantwortung wissen, weil sie nur dann die im Arbeitsschutz erforderlichen Maßnahmen umsetzen werden.
Auf jeden Fall sollte man bei gleichgestellten Partnern einer Berufsausübungsgemeinschaft darauf achten, dass ein Partner ausdrücklich als Verantwortlicher im Arbeitsschutz benannt wird. Eine andere Alternative ist es, die jeweiligen Verantwortungsbereiche klar zu beschreiben und gegeneinander abzugrenzen. Ansonsten können durchaus alle Partner im gleichen Umfang für ein und dasselbe Unfallereignis haften.
Spezielle Gefährdungen in Arztpraxen
Auch am Arbeitsplatz „Arztpraxis“ ist mit speziellen Gefährdungen zu rechnen. Von denen in § 5 Absatz 3 des Arbeitsschutzgesetzes genannten Gefährdungen sind in Arztpraxen nach den Erfahrungen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege die Gefahren von Hauterkrankungen und Infektionen hervorzuheben. Natürlich kommt es hierbei stets auf die tatsächliche Fachrichtung des Arztes und das dazugehörige Leistungsspektrum der Arztpraxis an.
Eine Besonderheit im Gesundheitsdienst stellen auch Medikamente dar, weil bezüglich des Umgangs und der entsprechenden Schutzmaßnahmen die Regelungen der Gefahrenstoffverordnung gelten, nicht jedoch bezüglich der Kennzeichnung und des Inverkehrbringens. Daher führt dies zu Schwierigkeiten, da theoretisch vom Verantwortlichen einige Hundert Substanzen nach den Kriterien des Gefahrstoffrechts bewertet werden müssten (Gefährdungsbeurteilung). Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil zu den meisten Substanzen toxikologische Daten gänzlich fehlen. Denn Arzneistoffe werden von den Zulassungsbehörden immer unter dem Aspekt therapeutischer Dosen und nicht unter Arbeitsschutzaspekten geprüft. Hier könnte hilfreich sein, wenn sich Arztpraxen einer Fachrichtung zwecks gemeinsamer Bewertung vergleichbarer Risiken zusammenschlössen.
Sollten Sie hierzu Fragen haben können unsere Experten auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit Sie bei der korrekten Bewertung unterstützen.
Gefährdungsbeurteilung
Das zentrale Element des Arbeitsschutzes ist die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes – die Gefährdungsbeurteilung. Bei gewissenhafter Dokumentation ist die Gefährdungsbeurteilung die Grundlage für die Entscheidung über jede Präventionsmaßnahme.
Bei der Gefährdungsbeurteilung und der Festlegung der daraus resultierenden Maßnahmen des Arbeitsschutzes müssen für alle relevanten Teilbereiche die folgenden Prozessschritte berücksichtigt werden:
- Festlegung des Geltungsbereichs der Gefährdungsbeurteilung
- Ermittlung der Gefährdungen
- Beurteilung der Gefährdungen
- Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen
- Durchführung der konkreten Maßnahmen
- Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen
- Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung
- Gleichzeitige Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung.
Diese Vorgehensweise berücksichtigt, dass Sicherheit kein statischer Zustand ist, sondern ein Prozess. Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung muss schriftlich erfolgen und mindestens das Ergebnis der Prozessschritte zwei bis sechs umfassen. Neben Verbesserungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist ein wesentliches Ziel der Dokumentation die Rechtssicherheit des Arbeitgebers. Aufsichtsbehörden sollten nach der Durchsicht der Dokumentation zum Schluss kommen, dass die Gefährdungsbeurteilung angemessen durchgeführt wurde.
Dies ist dann der Fall, wenn
- die betriebliche Gefährdungsbeurteilung im Wesentlichen durchgeführt und die ermittelten Gefährdungen als zutreffend bewertet werden
- die Maßnahmen des Arbeitgebers ausreichend und geeignet sind, die Beschäftigten zu schützen
- Wirksamkeitskontrollen durchgeführt werden
- die Beurteilung aktuell ist und die Dokumentation in Form und Inhalt angemessen vorliegt.
Kein statischer Zustand
Sicherheit ist kein statischer Zustand, sondern ein Prozess. Dementsprechend darf auch die Gefährdungsbeurteilung nicht als einmaliger Kraftakt verstanden werden. Vielmehr sollte Sie als andauernder Prozess mit zunehmender Sicherheit verstanden werden, welche den Arbeitnehmer vor den Gefahren schützt und den Arbeitgeber vor teuren Bußgeldern bewahrt.
Wie Sie sehen handelt es sich bei dem Thema um ein relativ komplexes Konstrukt. Doch unsere Experten lassen Sie mit der Thematik nicht im Stich, sondern stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Sind Sie sich nicht sicher, ob Sie schon alle erforderlichen Maßnahmen getroffen haben? Benötigen Sie Hilfe bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilungen? Nutzen Sie unser kostenloses und unverbindliches Erstgespräch mit einem unserer Experten. Treten Sie noch heute mit uns in Kontakt oder buchen direkt online einen für Sie passenden Termin. Wir freuen uns darauf von Ihnen zu hören.